Dienstag, 11. März 2008

Gedächtnis


Unser kollektives österreichisches Gedächtnis kann am 12./13. März auf zwei Daten zurückschauen.

Auf den Anfang des dunkelsten Kapitels in der Geschichte unseres Landes einerseits, den Tag als Österreich von der Landkarte verschwand. Auf das Ende eines großen Österreichers andererseits, der fest in der Überzeugung war, dass mit dem Tod ein neuer Anfang sich ereignet.

1938
Dieser 13. März 1938. Wir haben nur die Bilder der Macht, uns ein Bild zu machen. Wir kennen nur den Jubel und die Zustimmung.
So beschreibt Marlene Steeruwitz in einem Artikel die Annexion Österreichs durch Hitler-Deutschland. Und wirklich, taucht nicht das Jandlsche "Männchenmeere" des Heldenplatzes unwillkürlich in unseren Köpfen auf? Und zugleich - wie fern ist das uns Heutigen vielfach. Und weiter:
Von den Unglücklichen wird uns kein Bild gelassen. Erst als Material tauchen sie in den bildlichen Aufzeichnungen und den Statistiken wieder auf. Immer bleibt es beim Blick der Macht. Es kann aber nur gesehen werden, was gezeigt wird. Und so müssen wir die Erinnerung an diesen Tag selber weiterdenken. Die anderen. Von ihnen bleibt nur die Erzählung, wenn überhaupt etwas geblieben ist.
Dazu, und dagegen, zwei Bilder (die mich erschreckt haben). Die einen Teil der geschehenen Greuel verorten. Es gab viele Orte in unserem Land, an denen das "KZ" Wirklichkeit war. Zur Wikipediaseite über Mauthausen, die auch eine Liste einiger bekannter Häftlinge in Mauthausen und seiner Nebenlager enthält, hier.


Bild oben: das KZ Mauthausen und seine Nebenstellen in Österreich
unten: Gusen nach seiner Befreiung


Ein weiteres Bild kann ich euch aus diesen Tagen weitergeben. Ein Zeichen des Widerstands, das bis heute im Vilgrattental in Osttirol existiert.

Da ist in einem der Balkone dieser wuchtigen Bauernhöfe groß der Schriftzug "Grüß Gott" zu lesen. Aber erst der geschichtliche Hintergrund lässt uns erahnen, wie mutig dieser Bauer , der das Der hatte es nach dem Anschluss 1938 als Protest gegen den Führer in das Holz hineingearbeitet, zu einer Zeit, als jedermann sich mit dem neuen "Heil Hitler" zu grüßen hatte, als jedermann sich mit der hypnotischen Diktatur und ihren Handlangern gutstellte, wenn man sie denn nicht gar befürwortete. Das althergebrachte Grüß Gott war ihm und vielen in diesem Tal so nicht nur althergebrachte Weise und Brauchttum, sondern religiöses Bekenntnis und daraus heraus Zeichen des Widerstandes.

So wurde denn auch der Bürgermeister dieses Ortes interniert, und Innervilgratten hatte während der gesamten Zeit des Krieges die denkbar schlechteste Behandlung durch die Nazis. Bis heute erzählt man sich dort seine Geschichte, bis heute heißt der Hof der "Grüß Gott Bauer".

2004




In der Nacht auf den 13.3.2004 starb eine der größten Persönlichkeiten unseres Landes, Franz Kardinal König, im 99. Lebensjahr. Eine allgemein anerkannte Vatergestalt Österreichs, bedeutender Konzilsvater, maßgeblich an der Wahl Karol Wojtylas zum Papst beteiligt, Brückenbauer zu anderen Weltanschauungen und den Kirchen des Ostens, Religionswissenschaftler Intellektueller und Mann der Kirche, ein gebildeter, zugleich schlichter Mann des Glaubens, der Noblesse, Humor und Menschlichkeit ausstrahlte, der in seinem Testament schrieb:

"Mein Wunsch ist nur: an meinem Sarg die Osterkerze nicht zu vergessen."

Zwei Erinnerungen. Stimmen aus der Vergangenheit. Jemand Gescheiter hat gesagt: Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es aber vorwärts (Kierkegaard). Auf dass wir hellhörig unseren Verantwortungen entsprechend das Gute wollen und tun können.

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